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„Brexit – und nun?!“ – Europa-Universität debattiert Ursachen und Folgen des britischen Referendums

„Kann nicht auch die Uni sich zum Brexit äußern?!“ – so in etwa lautete nach dem britischen Volksentscheid ein Kommentar auf der Facebook-Seite der Viadrina. Dass die Europa-Universität sich der Debatte aktueller Entwicklungen in der EU annimmt, war am 29. Juni live zu erleben: Im überfüllten Hörsaal verfolgten rund 450 Zuhörende die vom „Master of European Studies“ initiierte öffentliche Diskussion „Brexit – und nun?!“.

„Keine Ahnung, was ich erzählen soll. Ich weiß auch nicht mehr als Sie.“ Zum Auftakt bot Politikwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Neyer einen Stapel Broschüren ,Europa vor der Zerreißprobe. Wie sieht die gemeinsame Zukunft aus?’ feil. „Da hätte ich auch gern eine!“ konterte Europarechtler Prof. Dr. Carsten Nowak.

Klare Understatements zweier Europaexperten der Viadrina, die – ebenso wie ihre Mitdiskutanten, die Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Daniel Becker und Prof. Dr. Bruno Amable – doch etwas zu sagen hatten.

Man dürfe nicht vergessen, dass es bereits Negativvoten in EU-Referenden gegeben habe, 2005 in den Niederlanden und in Frankreich, erinnerte Neyer. „Diese Ablehnungen der EU-Verfassung hätten eine Reflexionsphase in der EU einläuten müssen.“ Da diese ausgeblieben sei, fehle der EU das gemeinsame Fundament einer imagined community. „Ohne diese gemeinsame Identität und symbolische Grundlage aber ist der Berg aktueller politischer Herausforderungen, wie die Zukunft der parlamentarischen Demokratie oder der Aufbau eines europäischen Sozialstaates, kaum zu lösen“, so der Politologe.

„Ja, man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist“, pflichtete Europarechtler Prof. Dr. Carsten Nowak bei. Die Kernfrage sei, ob die Briten tatsächlich von §50 des EU-Vertrages Gebrauch machen werden. „Das Ergebnis dann zu führender Verhandlungen ist eine Black Box, deren Bandbreite zwischen losen Assoziierungsabkommen à la Russland und Schengen-Lösungen ähnlich der Türkei liegt.“

Genau das sei, so Volkswirtschaftler Daniel Becker, das grundsätzliche Problem: „Das Versprechen der ‚Brexit‘-Befürworter war: die Vorteile des Binnenmarktes weiternutzen, die Freizügigkeit einschränken und weniger bezahlen. Keiner weiß, wie das gehen soll – auch die ‚Brexit‘-Befürworter selbst nicht.“ Eine Lösung „so wie Norwegen, aber besser“ sei eine Utopie. Die im Herbst anstehenden Wahlen in Großbritannien könnten eine wichtige Weichenstellung sein, und – wenn pro-europäische Kräfte als Sieger aus ihr hervorgingen – eine Richtungsänderung bedeuten, wandte Bruno Amable ein. Der Brexit aber sei Symptom tieferliegender Identitätsprobleme der EU. „Der Ausgang ist ungewiss.“

Schlechte Aussichten also für die EU? – nicht für Jürgen Neyer: „Ich hoffe, dass wir gerade die Hochphase des Anti-EU-Populismus erleben. Der Wert Europas wird hoffentlich ab jetzt viel klarer werden.“ (MG)

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