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Vierter Kongress Polenforschung: „Nach 25 Jahren Frieden und Zusammenarbeit in Europa spielen Grenzen heute wieder eine wichtige Rolle.“

Rund 300 Polenexpertinnen und -experten waren vom 23. bis 26. März an der Viadrina und am Collegium Polonicum zu Gast. Sie nahmen am Vierten Kongress Polenforschung zum Thema „Grenzen im Fluss“ teil. Den Eröffnungsvortrag in der Frankfurter Konzerthalle hielt der Schriftsteller Matthias Nawrat über „Grenze und Utopie“. Er sprach sich für ein neues Denken quer zum allgemeinen Diskurs aus.

„Nach 25 Jahren Frieden und Zusammenarbeit in Europa spielen Grenzen heute wieder eine wichtige Rolle“, konstatierte Matthias Nawrat zu Beginn seines Festvortrags. Der Autor war im Alter von zehn Jahren aus dem polnischen Opole mit seinen Eltern nach Bamberg gezogen und lebt heute in Berlin. Nawrat sieht in der derzeitigen Abgrenzung einiger mittel- und osteuropäischer Staaten von der Europäischen Union und der Hinwendung zum Populismus eine Altlast der politischen und wirtschaftlichen Transformation: „Die Menschen suchen nach Halt. Sie haben den Glauben an die Demokratie und die Marktwirtschaft verloren. Sicher geglaubte Wahrheiten verschieben sich gerade wie Erdplatten.“ Der Autor und Kulturkritiker gab sich aber dennoch zuversichtlich: „Neues Denken quer zum allgemeinen Diskurs und über Grenzen, die Auseinandersetzung einschränken, hinaus ist möglich. Diese Grenzen entstehen aus mangelnder Zuversicht. Grenzen zu überschreiten zu dem bisher Nicht-Denkbaren – dies sollte Aufgabe von Literatur und Wissenschaft sein.“
Der Autor hat bisher vier Romane veröffentlicht, darunter „Unternehmer“ (2014), der für den Deutschen Buchpreis nominiert war.

Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft dies- und jenseits der Oder hatten zuvor den Festakt in der Frankfurter Konzerthalle eröffnet. Darunter waren Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsident Brandenburgs und Koordinator des Bundes für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, und sein polnischer Amtskollege Dr. Jakub Skiba.

Bereits am Nachmittag hatten namhafte Osteuropaforscherinnen und -forscher sowie Publizisten in einer öffentlichen Diskussion erörtert, wie angesichts des Erfolgs populistischer Parteien und restriktiver Mediengesetzgebung der Transfer wissenschaftlicher Forschung und unabhängiger Expertise in die Gesellschaft gelingen kann. Dr. Manfred Sapper, Chefredakteur der Zeitschrift „Osteuropa“, bescheinigte den Polenexpertinnen und -experten Versagen im Jahr 2015: „Nach dem Wahlsieg von Andrzej Duda konnte sich niemand vorstellen, dass die PiS-Partei die Parlamentswahlen gewinnt und das Land so umkrempelt, wie wir es seitdem erleben müssen“. 

Während des viertägigen Kongresses diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in 28 Sektionen ihre Forschungen zu Polen. Dabei setzten sie sich aus multidisziplinärer Perspektive mit geografischen, historischen, sozialen, kulturellen, sprachlichen, wirtschaftlichen und juristischen Aspekten von Grenzen auseinander. (LW)

 

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