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In seinem Vortrag spannte Prof. Dr. Arjun Appadurai einen Bogen europäischer Geschichte von der Renaissance bis ins 21. Jahrhundert. Unter dem Titel „Is Europe possible without imperialism? Reflections on the global future of the European Union“ beleuchtete er dabei das Spannungsfeld zwischen europäischer Aufklärung und Weltbeherrschung. „Mit dem imperialen Projekt exportierte Europa neben den Idealen der Aufklärung seine Konflikte und Widersprüche, etwa zum Verhältnis von Staat und Religion. So haben die Briten im 19. Jahrhundert eine Debatte um Säkularisierung nach Indien gebracht, wo dieses Phänomen bis dahin unbekannt war“, legte der Anthropologe dar.
Appadurai warf die Frage auf, ob die Ideale der Aufklärung, wie Demokratie und Freiheit, auch heute noch in Europa gelten und kommentierte sogleich kritisch: „Griechenland ist eigentlich kein souveräner Staat mehr, sondern in den Händen der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und von Hedgefonds.“ Die EU sei dennoch der einzige Staatenbund weltweit, der in der Lage sei, den Nationalstaat neu zu definieren. Das bisherige Konzept mit territorialen Grenzen passe nicht mehr zu einem weltweiten Austausch von Personen, Waren und Kapital sowie zum Klimawandel. „Der Zusammenschluss von Staaten zur EU war ein Anfang, geht aber noch nicht weit genug“, so Appadurai. „Eine Neudefinition des Nationalstaates ist notwendig, um Demokratie und Freiheit wieder zu beleben. Dann könnte die EU auch besser auf Krisen wie Armut, Autoritarismus und Gewalt reagieren.“
Der Vortrag fand auf Einladung des Instituts für Europa-Studien (IFES) statt. Dessen wissenschaftliche Koordinatorin Dr. Estela Schindel würdigte den Anthropologen in ihrer Einführung: „Seine Arbeiten sind so einflussreich, dass sie in den Sozialwissenschaften wie ein Seismograph der Hauptthemen unserer Zeit wirken.“ Appadurai forscht zur Rolle des Nationalstaates, zu Multikulturalismus und Konsumgewohnheiten in Zeiten der Globalisierung. Er verfasste die international vielbeachteten Studien „Modernity at Large: Cultural Dimensions of Globalization“ (1996) und „The Future as Cultural Fact: Essays on the Global Condition“ (2013). Derzeit forscht er an der Humboldt-Universität in Berlin zum Thema „European SelfMaking in the Age of Empire”. (LW)
>>> Zum Mitschnitt des Vortrags und der anschließenden Diskussion
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