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„Wir müssen weg von der Opferrolle und anerkennen, dass wir die Aufgabe haben, europäischer Leuchtturm zu sein!“

Oberbürgermeister René Wilke und ZEIT-Online-Redakteur Christian Bangel diskutierten am 17. Juli auf Einladung des Instituts für Europastudien mit Prof. Dr. Timm Beichelt unter der Überschrift „Aufbruch Ost! Ein neues „Mutbürgertum“ in ostdeutschen Kommunen?“ über das Image der Oderstadt, politische Stimmungen und anstehende Aufgaben.

„Können wir an der Entwicklung von Frankfurt (Oder) etwas ablesen, was lange in strukturschwachen Regionen als unvorstellbar galt, nämlich, dass eine neue Zivilgesellschaft, eine neue Offenheit entstehen kann, kurz, ob Frankfurt (Oder) als Avantgarde Ostdeutschlands gelten kann?“ umriss Moderatorin Susann Worschech das zu diskutierende Feld. – Als Avantgarde wollte sich keiner der Teilnehmenden bezeichnen; auf der Suche nach der Standortbestimmung waren sich die Diskutanten einig. Auch wenn der Titel der Berliner taz „We love Frankfurt“ kurz nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister ihn stolz mache, betonte René Wilke: „Das Cover hängt zwar in meinem Büro, aber eher als Ansporn.“ Denn, so der Oberbürgermeister weiter: „Es gibt viel zu tun!“ Eine starke gemeinsame Erfahrung sei die des Bedeutungsverlustes von Frankfurt (Oder), das Narrativ, als Ostdeutsche Belastung für das gesamte Land zu sein und – zumindest gelte dies für viele Frankfurterinnen und Frankfurter – den Alltag als stressreich und belastend zu empfinden.
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Fotos: Bastian Bielig

Jetzt, da sich das Image von Frankfurt (Oder) geändert hat, merke man erst, wie schwer das andere wog, meint Christian Bangel: „An dem Flauschstorm, der diese Stadt erfasst hat, konnte man erkennen, wie schlecht die Rezeption bisher war: Frankfurt (Oder) war Sinnbild einer rechtsradikalen Stadt. Plötzlich ist es als in Stuttgart oder Hamburg lebender Weggezogener interessant, aus Frankfurt (Oder) zu sein. Und auch nach innen scheint das positive Narrativ Auswirkungen auf das Selbstbild der Bürgerinnen und Bürger zu haben.“

Wie aber hält man ein Narrativ aufrecht und wie unterfüttert man es nachhaltig?
René Wilke zeigte sich überzeugt: „Kommunalpolitik kann alles dazu beitragen, dass ein Narrativ bleibt, gestärkt und unterfüttert wird.“ Wichtig sei, zu wissen, wo wir hinwollen, dauerhafte Kommunikation und ein „Sich-einander-Aussetzen“, Nahbarkeit von Politik, das ganz praktische „Probleme-Lösen“ und – das habe er früher unterschätzt – Stimmungen: „Eine Stimmung in der Stadt ist wichtig. Als Stadtspitze haben wir eine Verantwortung, zu positiver Stimmung beizutragen und als Vorbilder voranzugehen.“, so der Oberbürgermeister, der mit einem leidenschaftlichen Appell schloss: „Ich wünsche mir, dass wir wegkommen von Selbstmitleid und Selbstrechtfertigung und erkennen, was schlicht erkennbar ist. Die ganze Welt scheint aus den Fugen geraten und spätestens seit Trump reden Viele von „America first!! oder „Ich selbst first!“. In Frankfurt (Oder) lernen wir seit Jahrzehnten, dass das nicht funktioniert. Wir wären in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit nicht so weit, wenn wir nicht gemeinsam mit unseren Nachbarn arbeiten würden. Wir müssen weg von der Opferrolle, weg vom Gefühl des Bedeutungsverlustes und anerkennen, dass wir die Aufgabe haben, europäischer Leuchtturm zu sein!“ (MG)

Aufzeichnung: Multimediaservice des IKMZ

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