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Am 17. Juli 2018 ist Prof. Dr. Erardo C. Rautenberg, Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg a.D., nach schwerer Krankheit verstorben. Rautenberg wurde am 10. März 1953 in Comodoro Rivadavia (Argentinien) geboren. 1954 siedelte er mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach seinem Abitur im Mai 1972 am Corvinianum Northeim (Niedersachsen) begann er im Oktober desselben Jahres das Studium der Rechtswissenschaften und legte 1977 das Erste Juristische Staatsexamen in Celle ab. Es folgten ein Promotionsstudium sowie eine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Dr. Dr. Martin Gschwind und Prof. Dr. Peter Rieß in Göttingen. 1980 wurde Rautenberg dort mit einer Dissertation zu dem Thema „Verminderte Schuldfähigkeit. Ein besonderer, fakultativer Strafmilderungsgrund?“ (erschienen in Heidelberg 1984) promoviert. Nach seinem Zweiten Juristischen Staatsexamen im Jahre 1982 in Hannover war Rautenberg bis zum August 1987 Staatsanwalt in Lübeck, um dann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Generalbundesanwalt nach Karlsruhe zu wechseln, wo er von September 1987 bis August 1990 tätig war. Nach einer Abordnung zum Generalstaatsanwalt in Schleswig ab September 1990 wurde er dort im Januar 1991 zum Oberstaatsanwalt befördert. Auf eine erneute Abordnung zum Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof folgend wurde Rautenberg im Januar 1992 zum Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof befördert. Seit Juli 1992 leitete er dann bei der Staatsanwaltschaft Potsdam die Schwerpunktabteilung für DDR-Bezirkskriminalität und DDR-Justizunrecht. Im Dezember 1993 wurde er als Leitender Oberstaatsanwalt in das Land Brandenburg nach Neuruppin versetzt. Seit März 1996 war Rautenberg bis zum Eintritt in den Ruhestand im März 2018 Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.
Rautenberg war ein sozial und politisch engagierter Jurist. Seit 1983 war er Mitglied im Deutschen Richterbund und wurde 1990 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands; seit 1992 war er Mitglied bei Amnesty International, Sektion Bundesrepublik Deutschland e.V. Von April 2000 bis Januar 2016 war Rautenberg Mitglied des Externen Beirates für den brandenburgischen Justizvollzug beim Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg; seit 2000 Mitglied im Fachbeirat „Hilfe für Opfer von Menschenhandel und Gewalt in der Prostitution in Brandenburg", sowie Einzelmitglied im Brandenburgischen Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Seit Dezember 2009 bis zum Eintritt in den Ruhestand im März 2018 war er darüber hinaus auch Mitglied im Fachbeirat der ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur.
Im Jahre 2005 wurde Rautenberg mit dem Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen ausgezeichnet. 2009 erhielt er den Hans-Gross-Preis des Landesverbands Brandenburg des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Rautenberg war von 2006 bis 2008 Gründungsvorstand der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung und seit 2017 Mitglied im Beirat des Projekts „Entwicklung von Fortbildungsmodulen für Strafjustiz und Staatsanwaltschaft im Themenfeld Rassismus“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR).
Neben seiner intensiven berufspraktischen Arbeit hat sich Rautenberg auch in besonderem Maße um die Strafrechtswissenschaft verdient gemacht. So war er seit 2003 Mitherausgeber der Zeitschrift „Neue Justiz“ und von 2002 bis 2014 ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Goltdammer’s Archiv für Strafrecht“. Rautenberg hat sich wissenschaftlich eingehend insbesondere mit der Stellung der Staatsanwaltschaft im Staat auseinandergesetzt. Hervorzuheben ist dabei vor allem das Werk „Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Beseitigung ihrer Weisungsabhängigkeit von der Regierung im Strafverfahren“ (3. Aufl., Baden-Baden 2015). Es ist dies die Neubearbeitung und Fortführung eines wichtigen Werkes zur Rolle der Staatsanwaltschaft im Gesamtsystem der Rechtspflege, das Ernst S. Carsten 1932 verfasste, und betrifft jetzt vor allem auch die Frage der Weisungsgebundenheit dieser Behörde und damit deren Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit von Einflussnahmen durch die Regierung. Rautenberg ergänzt dabei den Text von Carsten um die darauf folgende 80jährige Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland. Weiterhin hat Rautenberg sich etwa an der 5. Auflage des Heidelberger Kommentars zur StPO (2012) beteiligt.
Neben strafprozessualen Fragen hat Rautenberg sich auch intensiv mit materiell-rechtlichen und rechtspolitischen Problemen auseinandergesetzt, so z. B. mit der juristischen Aufarbeitung des DDR-Systemunrechts, und dazu einen Aufsatz für die Festschrift zum 10jährigen Bestehen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts verfasst. Er kommt dabei u. a. zu dem Fazit, dass die deutsche Justiz ihrer Pflicht genügt und das DDR-Systemunrecht gründlicher verfolgt habe als seinerzeit das NS-Unrecht, ohne jedoch der Versuchung erlegen zu sein, die früheren Defizite durch Übereifer wettzumachen (S. 41). Ein weiterer, in Goltdammer’s Archiv veröffentlichter Beitrag „In Memoriam Nürnberger Juristenprozess…“ (GA 2012, 32 ff) befasst sich mit dem Umgang mit staatsverstärktem Unrecht in Deutschland und hebt in einer gründlichen Untersuchung die Schicksale bestimmter Juristen hervor, die sich in der NS-Zeit und der Zeit der DDR nicht mit den jeweiligen herrschenden Regimen arrangiert hatten und deshalb Repressalien ausgesetzt waren. Dabei weist Rautenberg anhand von einleuchtenden Berichten nach, dass in beiden deutschen Nachkriegsstaaten die Erinnerung an Juristen, die gegen das NS-Justizunrecht Widerstand geleistet haben, oftmals nicht genügend gepflegt wurde.
Nach langjähriger Dozententätigkeit schon seit dem Jahre 2009 bestellte die Europa-Universität Viadrina Rautenberg im September 2013 zum Honorarprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Nebengebiete. In diesem Rahmen hielt er regelmäßig Vorlesungen zum Strafverfahrensrecht und (gemeinsam mit Herrn Kollegen Niedermeyer) zur forensischen Psychiatrie. Darüber hinaus engagierte er sich im Rahmen des Universitätsangebotes zur juristischen Examensvorbereitung. Schon seit 1997 beteiligte sich Rautenberg an den von den strafrechtlichen Lehrstühlen der Europa-Universität Frankfurt (Oder) und der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań (Polen) gemeinsam getragenen Projekten im Rahmen des Forschungsvorhabens „Kriminalität im Grenzgebiet“. Auch wirkte er an einer Tagungsreihe zur grenzüberschreitenden strafrechtlichen Zusammenarbeit aus Sicht der deutschen und polnischen Praxis mit. Seine Studierenden profitierten vor allem auch von seiner Fähigkeit, in seinen Lehrveranstaltungen juristische Theorie und Praxis anschaulich zu verbinden. Den mit ihm zusammenarbeitenden Kollegen des Strafrechts an der Juristischen Fakultät der Viadrina war Rautenberg ein stets interessanter und interessierter, für neue Fragestellungen aufgeschlossener Gesprächspartner. Die Mitglieder der Juristischen Fakultät der Viadrina werden Erardo C. Rautenberg ein ehrendes Angedenken bewahren.
Prof. Dr. Dr. h.c. Jan C. Joerden, Europa-Universität Viadrina
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