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Von „Brückenmenschen“ und „Fährmännern“ – 5-jähriges Jubiläum der Stiftung Karl Dedecius Literaturarchiv

Aus Anlass ihres fünfjährigen Bestehens blickte die Karl Dedecius Stiftung am Donnerstag, dem 29. November, mit einem Festakt im Collegium Polonicum auf das Erreichte zurück und ehrte den Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Henryk Bereska.

Enge Freunde waren sie zu ihren Lebzeiten nicht gewesen, der „Brückenmensch“ Karl Dedecius und der „Fährmann“ Henryk Bereska. Die 2013 gegründete Stiftung Karl Dedecius Literaturarchiv gedachte zu ihrem fünften Jubiläum dennoch beiden großen Übersetzern polnischer Literatur in die deutsche Sprache. Die Sammlungen aus den privaten Archiven der beiden Mittler zwischen den Kulturen werden im Karl Dedecius Archiv aufbewahrt. Die Stiftung nutzt die Bestände für ihre Projektarbeit und ist inzwischen viel gefragte Anlaufstelle für Studierende, Forschende sowie Schulen aus Polen und Deutschland.

In familiärer Atmosphäre und in Anwesenheit der Ehefrau und der Tochter sowie zahlreicher Freundinnen und Freunde von Henryk Bereska erinnerte Viadrina-Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal in ihrer Begrüßung an die Verdienste von Dedecius als „Brückenmensch“ für die Kulturverständigung zwischen Polen und Deutschland. Sie zitierte aus dem Gedicht „Übersetzen“ von Karl Dedecius:

 […] Übersetzen.
Über Sätzen sitzen.
Aufsitzen? Nachsitzen.
Hinter die Sätze sehen. Aufsehen? Nachsehen?
Über den Sätzen stehen. Vorstehen? Beistehen?
Unter die Sätze dringen.
Vordringen? Eindringen.
Lauter Fragen.

Sie fügte dann hinzu: „Als Politikwissenschaftlerin und Präsidentin weiß ich sehr gut: Übersetzung ist mehr, als nur von einer Sprache in die andere zu übersetzen.“

Diese Maxime war auch Leitidee des Schaffens von Henryk Bereska, der 1926 in einer deutsch-polnischen Familie in Oberschlesien geboren wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg in die DDR kam, wo er bis zu seinem Tod 2005 in Berlin und im brandenburgischen Kolberg gelebt hatte.
Er war eng mit dem polnischen Lyriker, Dramatiker und Schriftsteller Tadeusz Różewicz befreundet und pflegte enge Kontakte zur polnischen Kulturszene, wodurch er in das Visier der Stasi geriet. Seine Frau Gilda erzählte: „Es war ihm ein wichtiges Anliegen: Die Literatur eines Landes in ein anderes Land zu bringen.” Seine Tochter Odette Bereska gab zu: „Ich verstand, was für eine Verantwortung bei dem Übersetzer liegt, aber auch welchen Einfluss er auf die Wirkung von der Literatur hat, die er übersetzt und wieviel Vertrauen Autoren zu ihren „Fährmännern“ haben müssen. Er selbst hat sich in einem Gedicht als „Fährmann“ bezeichnet, der das kostbare Gut der Literatur von Polen nach Deutschland trägt.”

Dass Literatur und deren Übersetzung ein wahrhaft kostbares und wichtiges Gut ist, davon zeuge auch die internationale Strahlkraft der Stiftung Karl Dedecius Literaturarchiv, so Dr. Hans-Gerd Happel, Vorsitzender der Stiftung und Leiter der Bibliothek an der Viadrina. „Nur fünf Jahre nach ihrer Gründung ist die Dedecius-Stiftung – insbesondere auch dank der Förderung der Robert Bosch Stiftung – heute ein international nachgefragtes Netzwerk von Freunden und Begleitern von Dedecius, Wissenschaftlern und Kulturinteressierten.”

Im Anschluss an den Festakt wurde die Ausstellung „Ausharren in der Eremitage. Henryk Bereska 1926-2005“ mit einer öffentlichen Führung von Dr. Agnieszka Brockmann eröffnet. Die Ausstellung im Lesesaal der Bibliothek des Collegium Polonicum kann vom Montag bis Freitag vom 9.00 bis 19:00 Uhr und am Samstag von 10.00 bis 14:00 Uhr individuell besichtigt werden.  (AL/MG)

Fotos: Adam Czerneńko

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