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75 Jahre nach dem Massaker von Sonnenburg – Workshop ordnet NS-Verbrechen in der Endphase des Zweiten Weltkriegs ein

Genau 75 Jahre nachdem Nationalsozialisten in Sonnenburg 819 Gefangene ermordet hatten, nahm eine Viadrina-Delegation am 31. Januar an einer Gedenkveranstaltung in der heute polnischen Gemeinde Słońsk teil. Die Exkursion war Teil des zweitägigen Workshops „Evakuation / Rückzug / Liquidierung“, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Polen sogenannte Endphase-Verbrechen im NS-Gau Mark Brandenburg erschlossen.

„Endphase-Verbrechen“ werden Gewalttaten genannt, die von Angehörigen der deutschen Sicherheitspolizei und der SS in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Stellen in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges auf dem 1945 noch verbliebenen Territorium des Deutschen Reichs begangen wurden.

Am ersten Workshop-Tag, dem 30. Januar, ordneten die Teilnehmenden in der Gedenkstätte für die Opfer von Gewaltherrschaft in Frankfurt (Oder) diese Verbrechen in eine längere „Kulturgeschichte der Rückzüge“ ein, wie der Freiburger Historiker Christian Stein formulierte. Bereits seit Ende 1941 musste sich die Wehrmacht immer wieder kontrolliert und unkontrolliert von Frontstellungen zurückziehen.

Im Fokus des Workshops stand der Umgang mit Zivilpersonen, aber auch mit landwirtschaftlichen Ressourcen, Unterlagen und anderen als strategisch wichtig geltenden Materialien. Deutlich wurde: Gefängnisse und Zwangslager waren in Momenten des Rückzugs neuralgische Punkten, gerade in Gefängnissen kam es immer wieder zu Massakern. Das bis 1945 im Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) gelegene Sonnenburg (heutiges Słońsk) steht für ein solches Verbrechen. In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 – und damit nur zwei Tage vor dem Einrücken der Roten Armee – wurden hier 819 Gefangene ermordet.

Am zweiten Tag begaben sich die Teilnehmenden zur Spurensuche auf das Gelände des ehemaligen Arbeitserziehungslagers „Oderblick“ im heutigen Świecko (ehem. Schwetig). Matthias Diefenbach vom Institut für Angewandte Geschichte präsentierte, welche materiellen Schichten noch heute zu finden sind. Adam Kaczmarek vom Institut für Nationales Gedenken (IPN) in Poznań erklärte auf dem ehemaligen Dorffriedhof von Schwetig, wie die Suchstelle des IPN über archäologische Ausgrabungen von Gebeinen nach im Lager Ermordeten sucht. Dabei werden unter anderem Unterlagen aus dem Krematorium in Frankfurt (Oder) mit gefundenen Urnenmarken sowie DNA-Proben aus noch erhaltenen Knochen mit dem genetischen Material von Nachfahrinnen und Nachfahren abgeglichen.

Ziel der Exkursion war schließlich die Gemeinde Słońsk, wo von polnischer Seite organisiert ein offizieller Gedenkapell für die Opfer des Gefängnismassakers vor 75 Jahren stattfand.   Welche historische Bedeutung die Teilnahme der Viadrina-Delegation hat, zeigt ein Blick auf die Geschichte des Viadrina-Hauptgebäudes in der Großen Scharrnstraße 59. Als Sitz des Regierungsbezirks beherbergte das Gebäude die meisten Einrichtungen, die im östlichen Brandenburg für die Umsetzung nationalsozialistischer Verfolgung verantwortlich waren.
(Felix Ackermann)

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