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Liebe zum Wissen über Reiseverbote hinweg – Dr. Estela Schindel über ihren ungeplant kurzen Besuch in Berkeley

Am 9. März sollte Dr. Estela Schindels Gastaufenthalt an der University of California in Berkeley beginnen. Am gleichen Tag verkündeten die Gastgeber strenge Reglementierungen aufgrund des Corona-Virus. Die Koordinatorin des Viadrina Instituts für Europa-Studien reiste wenige Tage darauf zurück nach Deutschland – ohne den erhofften Austausch über Grenz-Forschung, aber trotzdem beeindruckt. Im Interview schildert sie ihre Eindrücke.

Frau Schindel, warum sind Sie nach Berkeley gereist?
Meine Reise fand im Rahmen eines Erasmus+-Programms zur Personalmobilität statt, das zwischen dem Viadrina Institut für Europastudien (IFES) und dem Institute for European Studies der University of California in Berkeley eingerichtet wurde.
Als akademische Koordinatorin des IFES habe ich mich sehr darauf gefreut, mehr darüber zu erfahren, wie Europa an der Westküste der USA erforscht wird. In meiner Forschung beschäftige ich mich mit dem EU-Grenzregime. In den Grenz-Studien spielt die US-amerikanisch-mexikanische Grenze eine besondere Rolle und somit ist Kalifornien mit seiner Grenze der perfekte Ort, um in einem vergleichenden Ansatz die Situation an den europäischen Südgrenzen zu diskutieren. In meinem öffentlichen Vortrag in Berkeley wollte ich dieses Thema aufgreifen – das hat mich sehr gereizt.

Berkeley 1-395 ©Estela Schindel

Es sollte anders kommen. Welche Situation haben Sie auf dem Campus vorgefunden?
Am frühen Morgen des ersten Tages erhielt ich eine E-Mail, in der mir mitgeteilt wurde, dass sie alle öffentlichen Aktivitäten mindestens bis zum Spring Break Ende März absagen würden. Dazu gehörten nicht nur mein eigener Vortrag, sondern auch alle anderen Vorträge, Netzwerktreffen und Veranstaltungen, an denen ich teilnehmen wollte.

Berkeley 3-395 ©Estela Schindel

Wie sieht der Arbeitsalltag der amerikanischen Kolleginnen und Kollegen angesichts von Corona aus?
Die meisten waren besorgt – nicht so sehr wegen des Virus, sondern angesichts der Anpassungen in ihrem Unterricht, die sie kurzfristig vornehmen mussten. Am 9. März kündigte die Universität an, dass einen Tag später die meisten Lehrveranstaltungen online gehen müssen. Nicht allen Lehrenden fiel diese abrupte Umstellung leicht. In den offiziellen Mitteilungen von Berkeley wurde immer wieder dazu aufgerufen, keine diskriminierende Haltung zu entwickeln. Trotz der Ängstlichkeit schienen alle konzentriert und ruhig zu sein. Bis zu meiner Abreise am 12. März wurde auf dem Campus Frisbee gespielt und in den Cafés arbeiteten die Studierenden an ihren Laptops.

Berkeley 2-395 ©Estela Schindel

Können Sie Ihrer abgebrochenen Reise auch etwas Positives abgewinnen?
Es ist toll, das Arbeitsumfeld der renommierten Universität Berkeley zu erleben; ich bekam aber höchstens einen kleinen Vorgeschmack darauf. Viele Autorinnen und Autoren, die ich lese, arbeiten dort, wie die Starphilosophin Judith Butler; aber auch Jennifer Doudna, die Pionierarbeit geleistet hat bei der Genom-Editiertechnik CRISPR. Außerdem ist Berkeley – anders als andere hochrangige US-Hochschulen – eine staatliche Universität. Ich fand das kombiniert mit ihrer Tradition der politischen Mobilisierung aus den 1960er und 1970er Jahren besonders attraktiv.
Die Bibliotheken sind erstaunlich, und sie waren bis zu dem Tag, an dem ich Berkeley verließ, immer noch geöffnet. Es war großartig, die Möglichkeit zu haben, diesen Raum mit Studierenden und anderen Forschenden zu teilen. Dort fühlt man sich wirklich als Teil einer Gemeinschaft, vereint durch die Liebe zum Wissen und zu Büchern über Grenzen und Reiseverbote hinweg.
(FA)

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