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Herr Musekamp, ich sehe Sie vor Ihrem Haus in Pittsburgh. Spielt sich dort gerade Ihr komplettes Leben ab?
Ja, wir arbeiten und lernen zu fünft hier. Meine Frau arbeitet in der Verwaltung der Universität, wir sind beide seit der Schließung im Homeoffice. Unsere drei Kinder haben gut ins Online-Learning hineingefunden.
Wie lief die Umstellung auf eine Universität im Online-Betrieb?
Man hat hier an der Hochschule sehr schnell geschaltet – sehr viel schneller als der Präsident des Landes, aber das ist kein großes Kunststück. Mitte März, mitten im Semester, war klar, die Uni wird geschlossen. Es gab sofort Schulungen im Online-Learning. Wir hatten eine Woche Zeit, die Seminarpläne anzupassen und die Studierenden zu informieren. Ich nehme meine Vorlesungen zu Hause auf, in Seminaren arbeiten wir mit google docs, Präsentationen reichen die Studierenden als Youtube-Videos ein. Auch Sprechstunden biete ich online an. Es gibt Termine und die Studierenden kommen ins virtuelle Zoom-Wartezimmer.
Wie schwer fiel Ihnen das Umdenken?
Ich war schon vorher affin dafür und habe Online-Möglichkeiten genutzt, um abwechslungsreicher zu arbeiten. Zum Beispiel unterrichte ich einmal im Jahr über den Kalten Krieg und beziehe dafür auch Zeitzeugen aus Frankfurt (Oder) ein, wie den Historiker Stefan Wolle, dessen Podcasts aus dem DDR-Museum ich verwende, und meinen früheren Kollegen Konrad Tschäpe, der heute die Gedenkstätte „Opfer politischer Gewaltherrschaft“ in Frankfurt leitet. Normalerweise schalten wir ihn per Skype in den Seminarraum, diesmal war er Teil des Zoom-Meetings. All das sind gute Erfahrungen, aber mit 35 Leuten im Zoom-Meeting ist eine lebhafte Diskussion schwer zu führen.
Wie kommen Ihre Studierenden mit der Situation zurecht?
Viel schwieriger als das Online-Lernen ist für viele die soziale Situation. Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner sind arbeitslos geworden, die Studierenden müssen für ihren eigenen Unterhalt sorgen, ihre Familien unterstützen und weiter lernen. Ich habe Sorge, dass viele das neue Semester nicht beginnen, weil sie sich die 18.000 Dollar Studiengebühr nicht mehr leisten können. Die sozialen Klüfte werden definitiv größer, auch weil viele zu Hause kein ordentliches Internet und keinen guten Computer haben. Die Bibliotheken, in die sie früher gegangen sind, sind nun geschlossen.
Was wird der Wissenschaftsbetrieb Ihrer Meinung nach aus dieser Corona-Zeit langfristig mitnehmen?
Wir werden uns gerade bewusst, wie viel wir gereist sind. Da werden einige umdenken und das künftig auf das Nötigste begrenzen. Zudem kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass digitale Fähigkeiten selten in Uni-Ausschreibungen stehen. Ich hatte an der Viadrina E-Learning-Schulungen, danach hat aber nie jemand gefragt. Es wird vielleicht mehr ins Bewusstsein rücken, dass man mit solchen Kenntnissen gerade auch die Geisteswissenschaften bereichern kann. (FA)
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