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Beobachterinnen und Beobachter in Deutschland fragten sich angesichts der eingeschränkten Bewegungsfreiheit im chinesischen Wuhan zu Beginn des Jahres, ob solche Maßnahmen nur in autoritär regierten Staaten wie China möglich sind, nicht aber in Demokratien. Doch nur kurze Zeit später beschlossen Regierungen auch in demokratisch verfassten EU-Mitgliedsstaaten eine harte Strategie der Begrenzungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.
Die Corona-Krise verdeutlicht: Jede bestehende administrative Grenze – nicht nur eine Staatsgrenze – kann zum Ort blockierender Maßnahmen werden. Selbst einige Kommunen wie der brandenburgische Landkreis Ostprignitz-Ruppin, verhängten Einreisesperren für Zweitwohnungsbesitzerinnen und
-besitzer, die nach einer gerichtlichen Überprüfung aber wieder aufgehoben wurde. Solche Maßnahmen lassen sich als Verdichtung einer Grenze beschreiben. Dabei werden einer bestehenden Grenze nicht nur zusätzliche Funktionen zugewiesen, sondern auch der Grad der Durchlässigkeit verringert.
An der Stadtbrücke, die Frankfurt (Oder) und Słubice verbindet, lässt sich die Verdichtung einer Grenze gut beobachten. In Reaktion auf die Corona-Pandemie führte die polnische Regierung zum 15. März 2020 Personenkontrollen und Gesundheitschecks an der Grenze ein. Wer nicht dauerhaft in Polen wohnt, darf die Grenze nicht überschreiten. Wer nach Polen zurückkehrt, muss sich für 14 Tage in Quarantäne begeben. Auch Erscheinungsbild und Materialität der Grenzen verändern sich auf der Stadtbrücke: Aufdringliche Stoppschilder bremsen den Verkehr; Absperrgitter und Dienstwagen bilden mobile Hürden; Personal von Polizei und Grenzschutz kontrollieren den schmalen Übergang. Ein aufgebautes Quarantänezelt dient den Gesundheitschecks.
Die Strategie der Begrenzungen zielt auf eine Unterbrechung von Verbindungen, die in Zeiten von Corona als potenzielle Übertragungsketten interpretiert werden, ab. Die gesellschaftliche Ordnung und ihre Mitglieder sollen durch diese Unterbrechungen geschützt werden – aber vollkommen dichte Grenzen gefährden über kurz oder lang das Funktionieren und Weiterbestehen dieser gesellschaftlichen Ordnung.
Am 24. April 2020 forderten Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten der Stadtbücke mit öffentlichen Protestaktionen eine Lockerung der Beschränkungen und die baldige Öffnung des Grenzübergangs. Die gemeinsame Aktion verdeutlicht, dass ein Verständnis der grenzüberschreitenden Verbindungen entlang der Oder besteht und in der Krise betont wird. Die Proteste scheinen teilweise Erfolg zu haben: Zum 4. Mai 2020 wurde durch eine neue Anordnung des polnischen Gesundheitsministeriums die Staatsgrenze für Berufspendlerinnen und -pendler, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende wieder geöffnet und die Quarantäne-Pflicht für diese Personengruppen aufgehoben. Hier können wir wieder von einer partiellen und funktionalen Durchlässigkeit der Grenze sprechen.
In praktischer Hinsicht führen die grenztheoretisch angeleiteten Überlegungen zur Reflektion der Strategie der Begrenzungen: Welche Grenzen sollen verdichtetet werden? Für wen? In welcher Art und Weise? Für wie lange? Mit Blick auf die Erfahrungen der Doppelstadt Frankfurt (Oder) und Słubice können wir darauf hinweisen, dass eine Verdichtung von Grenzen nicht reflexhaft allein an der nationalen Grenzlinie ansetzen muss. Vielmehr sollten Konzepte diskutiert werden, wie grenzüberschreitende Verbindungen und Verflechtungen berücksichtigt werden können und die im Krisenfall erforderliche Verdichtung von Grenzen entlang der Ränder bestehender Verflechtungszusammenhänge, die sich über nationale Grenzen spannen, vorgenommen werden kann.
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