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In viele Schnipsel zerfetzt steht es vor ihr, das Deutsch-Lehrbuch – stürmisch zu einer Collage zusammengeklebt, in der Mitte eine zerfließende Frau, die Weltkugel wie eine Handtasche in ihren Händen. Wut, Hilflosigkeit und Verlorenheit sprechen aus dem Kunstwerk, das Lava Mouslam ihr „Viadrina-Bild“ nennt. Es entstand, als sie gerade durch ihre Prüfung für das C1-Zertifikat in Deutsch gefallen ist. „Aus schlimmen Dingen etwas Schönes entstehen lassen – das ist für mich die Mission von Kunst“, sagt die 30-Jährige. Es könnte auch ihr Lebensmotto sein. Die Zertifikatsprüfung hat sie mit großer Zielstrebigkeit und harter Arbeit im dritten Anlauf bestanden und studiert nun BWL. >>>weiterlesen
Fotos: Heide Fest
Eine Ahnung von den Hürden, die Lava Mouslam lange vor Deutsch-Prüfungen überwinden musste, bekommt man mit einem Blick auf die anderen Bilder der kurdischen Künstlerin. Boote, Züge, verworrene Linien, ferne Palmen und ungezählte Augen künden von dem, was sie auf ihrem Weg nach Europa erlebt hat. Die Malerei begann für sie als therapeutische Kritzelei, als meditatives Zeichnen, das sie beruhigte und Optimismus verbreitete, erzählt Lava Mouslam inmitten ihrer Bilder.
Ihre syrische Heimatstadt Aleppo, in der Lava Mouslam Maschinenbau studierte, hat sie verlassen, als im Januar 2013 die Universität angegriffen wurde – sie hatte gerade im Hörsaal eine Prüfung geschrieben, als die Bomben einschlugen. Über die Türkei ist sie gemeinsam mit ihrem Mann Bashar Ismael nach Deutschland geflüchtet. Ein Studium und eine gute Arbeit waren ihr Ziel. An die Viadrina kam sie, weil sie von dem Programm Welcome@Viadrina gehört hatte, das Geflüchtete auf ein Studium vorbereitet und sie praktisch unterstützt, von der Studienfinanzierung bis zum Kitaplatz. Die Hilfe sei wertvoll gewesen; das Ankommen in der neuen Sprache, der Kultur und der Stadt trotzdem schwierig, erinnert sich Lava Mouslam.
„Ich bin nicht mehr jung; ich habe ein Kind und immer das Gefühl, keine Zeit verlieren zu dürfen“, beschreibt die Mutter des inzwischen dreijährigen Bayat Julius den Druck, der auf ihr lastet. Eine Situation, die sie von vielen anderen Studierenden unterscheidet. Anschluss hat sie inzwischen vor allem in der Frankfurter Stadtgesellschaft gefunden: im Kunstverein, bei dem sie derzeit ausstellt, im Eltern-Kind-Zentrum, wo sie Kreativ-Kurse gibt, zu denen auch syrische Familien kommen, und als Übersetzerin.
Auf kleinen Zetteln notiert sich Lava Mouslam ihre nächsten Ziele: „Studium absolvieren“ und „künstlerisch wachsen“, steht derzeit darauf. Doch sie spürt noch mehr „Aufträge“, wie sie es nennt: eine Verbindung zwischen eingewanderten Communities und der Frankfurter Stadtgesellschaft knüpfen, die etwas zu ruhige Stadt beleben, weiter Kraft schöpfen aus ihrem inneren Motor, zu dem ihre mitunter traumatischen Erlebnisse geworden sind. Kurzum: Sie möchte weiter aus „schlimmen Dingen etwas Schönes entstehen lassen“ – als Studentin, als Frankfurterin und als Künstlerin. (FA)
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