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Später Weg zu Gerechtigkeit – Arbeitsgruppe „Aufarbeitung und Recht“ hilft Opfern von Zersetzungsmaßnahmen in der DDR

Den Ruf schädigen, Selbstvertrauen zerstören, Misstrauen im privaten und beruflichen Umfeld säen – all das verbirgt sich hinter dem Begriff Zersetzungsmaßnahmen. Wer darunter in der DDR zu leiden hatte, kann seit Ende 2019 rehabilitiert werden und hat Anspruch auf 1.500 Euro Wiedergutmachung. Bisher allerdings war schwer fassbar, was Zersetzungsmaßnahmen bedeuten. Die Viadrina-Arbeitsgruppe „Aufarbeitung und Recht“ legt nun ein Papier vor, das es Betroffenen erleichtern soll, zu ihrem Recht zu kommen.

„Menschen sollten in ihren eigentlichen Überzeugungen gebrochen werden“, fasst Prof. Dr. Johannes Weberling das Ziel von sogenannten Zersetzungsmaßnahmen in der DDR zusammen. Der Jurist und Historiker leitet an der Viadrina die Arbeitsgruppe „Aufarbeitung und Recht“. Er berichtet, dass es DDR-Unrecht nicht nur in Form von Inhaftierung oder Bespitzelung gab. Ob Spitzensportler, Studentin oder Ausreisewillige: Sie alle konnten auch Opfer von sogenannten Zersetzungsmaßnahmen werden, wenn sie nicht der Linie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) entsprachen – oft merkten sie von der gezielten Manipulation nichts und suchten die Fehler für ihren Misserfolg bei sich selbst.

Weberling_UV_0602_600 ©Heide Fest

Umso schwieriger und zugleich wichtiger erscheint es Jahrzehnte nach dem Ende der DDR, dieses Unrecht fassbar zu machen und eine nützliche Definition von Zersetzungsmaßnahmen vorzulegen. Mit diesem Ziel fand im September 2020 ein gemeinsamer Workshop der Arbeitsgruppe „Aufarbeitung und Recht“ und des dort angesiedelten und ebenfalls von Johannes Weberling geleiteten Projektes „Rechtsfolgen politischer Verfolgung im wiedervereinigten Deutschland“ statt. Letzteres ist ein Bestandteil des vom Bundesforschungsministerium geförderten Verbundes „Landschaften der Verfolgung“. Die Ergebnisse des Workshops sind in der aktuellen Beilage der Zeitschrift Neue Justiz  dokumentiert.

1.500 Euro stehen laut Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz jeder Person zu, die unter Zersetzungsmaßnahmen zu leiden hatte; hinzu kommt das Recht auf Rehabilitierung. Oft ist den Betroffenen und ihren Familien die moralische Wiedergutmachung wichtiger als die finanzielle. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit; die Betroffenen bekommen ein Stück ihrer Geschichte zurück“, betont Johannes Weberling. Er rechnet mit einigen zehntausend Menschen, die Anträge stellen können – es sind all die, die von derartigen Methoden betroffen waren und noch nicht auf andere Weise entschädigt wurden. Die nun erfolgte Ergänzung im entsprechenden Paragraphen des Rehabilitierungsgesetzes stellt für Johannes Weberling „den vorläufigen Schlusspunkt einer seit rund 20 Jahren anhaltenden Diskussion über die bisher nicht erfolgte moralische und materielle Rehabilitierung der Gruppe der Zersetzungsopfer dar“.

Die rechtliche Aufarbeitung hat für den Viadrina-Honorarprofessor eine große gesellschaftliche Relevanz. „In unserer Arbeitsgruppe thematisieren wir immer wieder die mangelhafte Umsetzung der rechtlichen Aufarbeitung von DDR-Unrecht und wie sich das auf das heutige rechtsstaatliche Bewusstsein auswirkt“, ordnet er die Arbeit ein. Als Historiker weiß er: „Wenn wir nicht wissen, warum unsere Biografie so verlaufen ist, können wir nicht unbelastet die Zukunft gestalten“. „Belastungen und Blockaden werden sogar über Generationen hinaus weitergegeben“, ist er überzeugt.
(FA)

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