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Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast weiß: Irrtümer – auch eigene – sind eine gute Ausgangslage für neue Forschung. Auch sie hat beim Verfassen ihrer Doktorarbeit die weit verbreitete These vertreten, die Transformation der vormals sozialistischen Staaten sei abgeschlossen, am Beispiel Polen spätestens mit dem Beitritt zur Europäischen Union. „Doch die Transformation ist nicht zu Ende“, ist sie heute überzeugt. Auch in der Wissenschaftslandschaft zeigen sich Defizite, die als Beleg dafür dienen können: ostdeutsch sozialisierte Wissenschaftler:innen sind an den Lehrstühlen unterrepräsentiert und auch thematisch erscheint die Erforschung von Fragestellung rund um die DDR unattraktiv. >>>weiterlesen
An diesem Punkt knüpfte das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017 an, als es im großen Stil die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der DDR in all ihren Facetten zu fördern begann. Das interdisziplinäre Verbundprojekt „Modernisierungsblockaden in Wirtschaft und Wissenschaft der DDR“ ist eines von 14 Vorhaben aus diesem Förderprogramm und wird mit insgesamt drei Millionen Euro unterstützt.
Der Ansatz der Viadrina-Teilprojekte ist ein Vergleich der ostdeutschen Entwicklungen mit denen in osteuropäischen Ländern. Warum verlief und verläuft der Übergang vom Sozialismus zur Demokratie, von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland und Polen so unterschiedlich? Eine Antwort, die Dagmara Jajeśniak-Quast darauf gefunden hat, liegt in der höheren Mobilität der Polinnen und Polen in sozialistischen Zeiten. Sie spürt in Archiven Akten auf, die belegen: Schon seit den 1960er-Jahren reisten polnische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Stipendien durch die Welt, knüpften Kontakte, fuhren auch für Jobs zum Geldverdienen durch Europa. „Dieses mentale, soziale und finanzielle Kapital bereitete sie auf die Schocktherapie der Wende vor“, ist die Wirtschaftshistorikerin überzeugt. Auch die Forschungsergebnisse ihrer Kolleginnen und Kollegen legen Nahe: Die im Vergleich zu Polen starke Abschottung des DDR-Systems, das auch in der besonderen Teilungssituation Deutschlands begründet war, führte zu weniger Innovation, internationaler Anschlussfähigkeit und damit auch zu einer schlechteren Ausgangsposition in der Zeit des politischen Umbruchs vor 30 Jahren.
Voller Vorfreude plant Dagmara Jajeśniak-Quast im Rahmen des Forschungsprojektes eine Konferenz im Danziger Solidarność-Zentrum im September dieses Jahres. „Das Ziel ist eine Konfrontation unserer Ergebnisse mit Zeitzeugen – normalerweise das Schlimmste für Historiker“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Sie ist überzeugt: „Die Konfrontation wissenschaftlicher Erkenntnis mit den komplexen Lebenserfahrungen der Menschen kann ein Weg für gesellschaftliche Verständigung sein“.
(FA)
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