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„Rechtsstaatlichkeit ist kein binationales, sondern ein europäisches Thema“ – Dr. Arndt Freytag von Loringhoven, Botschafter in Polen, zu Besuch

Am Montag, dem 22. November, besuchte der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen, Dr. Arndt Freytag von Loringhoven, die Viadrina. Im Zentrum seines Besuches stand eine öffentliche europapolitische Rede am Collegium Polonicum. „Ich würde mir wünschen, dass man versucht, auf allen Ebenen in den Dialog zu treten und einander zu verstehen“, so die Botschaft des Diplomaten angesichts der aktuellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. 

„Hier weht der Geist des Brücken-Bauens, ein wahrer Geist der europäischen Avantgarde“, würdigte Botschafter Dr. Arndt Freytag von Loringhoven in seiner Begrüßung die Verdienste der Europa-Universität Viadrina und des Collegium Polonicum. Gemeinsam seien sie eindrückliches Beispiel, Symbol und Ort für die Vertiefung der deutsch-polnischen Beziehungen der vergangenen 30 Jahre. >>> weiterleiten

 

Fotos: Adam Czerneńko, Frauke Adesiyan

„Wir haben viel erreicht.“ – Mit diesem Befund stieg Dr. Arndt Freytag von Loringhoven in seinen Vortrag über die aktuellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen ein. „Drei Millionen Jugendbegegnungen und über 400 Städtepartnerschaften stehen beispielhaft für ein festes Gewebe zwischen unseren Gesellschaften“, sagte er. Ausdruck der guten bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen seien auch die Wirtschaftsbeziehungen: „Es ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, dass Polen heute der fünftwichtigste Handelspartner Deutschlands ist.“

Eine „gemischte Bilanz“ bescheinigte von Loringhoven hingegen europäischen Themen der politischen Dimension und nannte die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream II, die Erinnerungspolitik an den Zweiten Weltkrieg und die Rechtsstaatlichkeit. „Zu all diesen Themen gibt es zu wenig Dialog. Und genau dafür werben wir als Botschafter“, so sein Urteil.

Das schwierigste Thema sei das der Rechtsstaatlichkeit, bei dem eine teilweise harte Rhetorik zu beobachten sei. Von Loringhovens Rat: „Hier sollten alle verbal abrüsten.“ Wie bei allen genannten Themen sei eine Lösung auch hier nur über den Dialog zu finden, der, so von Loringhovens Überzeugung, europäisch angelegt sein muss. „Rechtsstaatlichkeit ist kein rein binationales, sondern ein europäisches Thema“, so der Botschafter.

Die Richtung des Appells blieb in der anschließenden Diskussion nicht unwidersprochen. „Mit dem Thema Rechtsstaatlichkeit steht und fällt die EU. Ich würde mir wünschen, dass die deutsche Vertretung in Warschau sich noch sichtbarer für Fragen rund um Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenrechte starkmacht“, so eine Stimme aus dem Publikum. „Nicht nur angesichts von 40 Jahren Kriegszustand in Polen müssen wir uns heute fragen, wie wir die demokratische Zivilgesellschaft in Polen gut unterstützen können“, so eine andere Stimme.

Von Loringhoven antwortete, dass ihn täglich die Frage beschäftige: „Wie weit können, wie weit dürfen wir gehen?“ Sein Verständnis der Diplomatie sei, sich als Partner und als Freund einzubringen. „Das ist in Polen schwieriger als bei anderen Partnern, weil wir eine historische Verantwortung mitbringen; zugleich darf das nicht dazu führen, dass wir Unterstützung versagen, Menschenrechtsverletzungen heute anzugehen“, sagte er.

Dr. Arndt Freytag von Loringhoven hatte vor seiner Rede Mitglieder der European Law Students‘ Association (ELSA) getroffen, die European New School of Digital Studies am Collegium Polonicum besucht und sich im Anschluss an ein Gespräch mit Uni-Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal in das Gästebuch der Europa-Universität eingetragen.
(MG)

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